Von Cartagena bis Cali (1.11. bis 26.11.2011, 1099km, total: 6198km)
Am Flughafenausgang von Cartagena gibt es eine gute Einrichtung für ahnungslose Touristen wie mich: Man kann sich an einem Schalter erkundigen, wieviel das Taxi an eine bestimmte Adresse kostet und kriegt einen Beleg. Was der Transport vom Velo kostet, konnte mir die Frau am Schalter allerdings nicht sagen. Ich bin kein guter Feilscher und so warte ich eine Weile und die Angebote gehen runter. Der Fahrer und ich müssen uns ungemütlich nach vorne ducken, denn die gelben Taxis sind sehr klein und der Karton mit dem Velo passt nur knapp in das Gefährt.
Das Hotel, dass ich mir ausgesucht habe, liegt im Quartier Getsemani in der wunderschönen historischen Altstadt. Einige Häuser im Viertel haben für schweizer Vehältnisse vielleicht einen Anstrich oder eine kleine Renovierung nötig aber es wirkt irgendwie echt, so wie es ist. An derselben Strasse wie das "El Baluarte" wo ich logiere, hat es noch ein paar weitere kleine Hotels und 2-3 Herbergen mit Mehrbettzimmern für partyfreudige junge Rucksacktouristen. Das Klima ist das ganze Jahr tropisch und bis ende November ist noch Regenzeit. Aus den Bars und Restaurants schallt laut Salsa und Merenge hinaus in die Strasse.
Als ich am Samstag in den Ausgang will, fällt mir auf wie ruhig es ist. In der Kneipe um die Ecke, wo auch keine Leute sind, frage ich einen Angestellten was denn los sei. Morgen Sonntag seien Wahlen und deshalb darf kein Alkohol ausgeschenkt werden, erklärt er mir. Ich bin etwas verdutzt und "nehme es zur Kenntnis", wie man so schön sagt.
Cartagena ist in den letzten Jahren eine vielbesuchte Stadt geworden. Reich an Geschichte und kolonialen Gebäuden, der Stadtmauer und natürlich dem Wahrzeichen der Stadt: "El Reloj", ein Turm mit Uhr mitten im Zentrum. Dazu soll es noch jede Menge wunderschöne Strände in der Umgebung haben. Die habe ich nicht besucht weil es definitiv zu heiss ist für mich. Ich darf ja bald die Gegend per Fahrrad anschauen, was eigentlich noch viel unsinniger ist...
Kolumbien ist Neuland für mich und so bin ich gespannt, was in diesem Land alles auf mich zukommt. Mit dem Verkehr ist es nicht besser als in anderen lateinamerikanischen Ländern. Eher noch schlimmer. Ich bin erleichtert, mich nach einigen Kilometern aus dem morgendlichen Stossverkehr von Cartagena herausgekämpft zu haben. In einem Restaurant bestelle ich mir einen "tinto" wie hier ein schwarzer Kaffee heisst und frage die Kellnerin nach Ortschaften, Restaurants usw. Eine detaillierte Landkarte des Landes war in Cartagena nicht aufzutreiben.
Es ist heiss und schwül und so bin ich bald schweissgebadet. Leicht aufwärts geht es auch noch. Die Landschaft ist grün. Grüner geht's nicht. Weiden, Wälder und Plantagen mit Palmen. Es gefällt mir sehr. Die Versorgung ist hier einfach, denn es hat alle paar Kilometer Restaurants mit Herbergen für Lastwagenfahrer und Reisende.
Vor der Kreuzung, wo man eine Strasse Richtung Süden nach Monteria nehmen könnte erklärt mir ein bewaffneter Beamter bei der Zahlstelle, sog. "peajaes", dass ich diese Route besser nicht nehmen soll. Die Strasse sei schlecht und schmal. Dazu macht er noch eine Faust und mit dem Zeigefinger eine Abzugsbewegung. Grund genug für mich, auf der Hauptachse Nr. 25 zu bleiben, welche via Medellin, Cali und Pasto nach Aequador führt. Ausflüge auf Nebenstrassen sind hier scheinbar nicht ratsam.
In Puerto Valdivia ist dann Schluss mit den Flachetappen. Gleich nach der Hängebrücke über den Rio Cauca, der fast ganz Kolumbien von Süden nach Norden durchquert, geht's ca. 20 Kilometer steil bergauf. Meist schiebend kämpfe ich mich vorwärts. Immerhin wird es mit der Höhe angenehm kühler. Bei einem paradiesischen Wasserfall mit Schwimmbecken treffe ich auf Heiber. Wir unterhalten uns und er lädt mich ein, doch bei ihm in Girardota, in der Nähe von von Medellin, vorbeizuschauen. Die Kellnerin vom Restaurant erzählt, dass vor einigen Wochen ein älterer kanadischer Radfahrer und eine Frau, ebenfalls aus Kanada, hier übernachtet hätten. Es handelt sich dabei um Michel und eine Kollegin, die zusammengespannt haben. Wie er mir schreibt ist er wieder allein, nachdem die Frau heimgekehrt sei, weil es ihr zu anstrengend war hier in den Anden. Er ist übrigens bereits in Peru. Wahnsinn, was der Mann für ein Tempo vorlegt! Er hat auch relativ wenig Zeit für die ganze Panamericana und muss noch diesen südlichen Sommer, d.h. bis etwa März, in Feuerland ankommen.
16 steile Kilometer weiter erreiche ich die Passhöhe, welche mit "Alto de ventana" angeschrieben ist. "Höhe mit Aussicht" oder ähnlich soll das wohl bedeuten. Die Aussicht wäre noch besser wenn es nicht so trüb wäre. Am Nachmittag erreiche ich Yarumal, eine Stadt sicherlich auf etwa 2500m.ü.M an einen Hang gebaut. Ich finde ein sauberes kleines Hotel mit Blick auf die umliegende grüne Gebirgslandschaft. Super Tag heute!
40km vor Medellin fahre ich die halsbrecherische Abfahrt hinunter in ein weites Tal. Die schweren Lastwagen bremsen sich ihren Weg die Serpentinen hinab und mir geht es auch nicht anders. Zwischendurch muss ich eine Pause einlegen weil mir die Hände schmerzen. In Girardota rufe ich Heiber an. Seine Mutter ist am Handy und wegen des Lärms verstehe ich kaum etwas. 2 Anrufe später treffen wir uns dann doch noch und ich nehme Unterkunt in ihrem Haus. Sie vermietet alle Zimmer im zweiten Stock und von den Mieten hat sie ein sicheres bescheidenes Alterseinkommen. Heiber und sein Vater haben eine kleine Finca (Bauernhof). Leider halten sie keine Pferde sondern Kampfhähne. Das ist nun wiederum gar nicht mein Ding. Das Geschäft sei einträglich, denn es wird hoch gewettet bei den Hahnenkämpfen, erklärt Heiber. Die Finca können wir wegen des Regens leider nicht besuchen und so nimmt mich Heibers Vater auf eine Runde mit dem Motorrad durch die Umgebung. Ich muss zugeben, dass es mir dabei nicht immer 100%-g wohl ist auf dem Rücksitz. Im "parque", wie der Platz im Zentrum heisst, findet gerade das jährliche Gründungsfest statt. Die Musiker auf der Bühne spielen mehrheitlich lauten Salsa und die Menge auf dem Platz feiert und tanzt dazu.
Bis Medellin sind es nur noch etwa 30 km. An Feiertagen ist eine Seite der vierspurigen Strasse gesperrt und für Radfahrer freigegeben. Ich habe Glück, denn es ist Sonntag. Es fehlt mir nicht an neugierigen Begleitern und 2 nette Herren führen mich gleich zu einem Hotel unweit des Fussballstadions und in der Nähe des Zentrums. Die Stadt ist bekannt oder besser gesagt berüchtigt in Verbindung mit dem Medellinkartell und als Sitz der Drogenbarone. Wie weit dass heute noch so ist kann ich nicht beurteilen und ich frage auch nicht danach. Nachts sollte man auf alle Fälle nur mit dem Taxi unterwegs sein. Die Stadt ist sicherlich schön gelegen und hat ein angenehmes Klima, dank der Höhe und der Nähe zum Aequator. Es ist sehr sauber und hat viele Hochhäuser. Woher kommt der Wohlstand?
Etwa 30 km südlich von Medellin geht's wieder bös aufwärts Richtung Santa Barbara. Die Strasse führt ein kurzes Stück auf einer schmalen Krete wo es beidseitig steil und weit hinunter geht. ich fahre nun durch ein Gebiet wo hauptsächlich Kaffee angebaut wird. Auf grossen Schildern wird darauf hingwiesen. Der Abschnitt heisst auch "Ruta de café" oder ähnlich. Es ist sehr hügelig und daher anstrengend aber dafür umso schöner.
Die Regensaison sorgt dieses Jahr in Kolumbien für Ueberschwemmungen, Erdrutsche, und leider kommen auch Menschen ums Leben. Viele Flüsse sind über die Ufer getreten oder werden es in Kürze tun, sofern die Niederschläge nicht aufhören. Wie gesagt, es soll es noch bis ende November weiterregnen. In Irra, ein Dorf am Rio Cauca, übernachte ich in einer Unterkunft am Fluss. Der Pegel erreicht bald die ersten Häuser am Ufer.
Auf einer Passhöhe vor der Stadt Pereira geniesse ich mit ein paar Sonntagsausflüglern die Aussicht auf die Stadt und das weite Tal des Rio Cauca. Ab Pereira habe ich ein paar leichte Tage bis zur drittgrössten Stadt von Kolumbien, nämlich Cali. Es ist flach oder geht gar leicht abwärts. Weiden, Zuckerrohr- und Maisfelder sehe ich meist auf dem Weg. Die grossen Bäume beidseitig der Strasse Nr. 25 bilden teilweise eine Art Tunnel und bringen angenehmen Schatten.
10 km vor Cali hat das Hinterrad wieder mal einen Platten. Neben dem kleinen Restaurant hat's gleich eine sog. "gomeria" wie diese kleinen Werkstätten entlang der Strassen heissen wo Pneus repariert werden. Es hat da immer eine Druckpumpe welche man benutzen kann. In Cali werde ich von einem Stadtteil zum anderen geschickt bis ich endlich, nach über 2 Stunden Suche, ein gutes und doch preisgünstiges Hotel finde. Immerhin habe ich dadurch gleich die Stadt etwas besichtigen können. Auch die Bekanntheit dieser Stadt, ähnlich wie Medellin, stammt hauptsächlich vom Calikartell und den Drogenbaronen die hier ihren Sitz hatten oder noch haben. Die Präsenz von Polizei und Militär ist allgegenwärtig. Was die Kundgebung bei meiner "Stadtrundfahrt" bedeuten soll, als eine Karawane von Motorrädern vorbeizieht, kann ich nicht genau ausmachen. Einige rufen "libertad!". Vielleicht hängt es mit der Erschiessung des Führers der Guerillaarmee Farc, durch eine Militärspezialeinheit vor ein paar Wochen, zusammen. Ehrlich gesagt, traue ich mich gar nicht, hier gross nachzufragen. Man weiss ja nie welchem "Verein" der oder die gefragte Person zugehört. Auch hier nimmt man abends besser ein Taxi wenn man noch unterwegs ist, lässt man mich wissen.
Ich verbringe hier 2 faule Tage und schreibe an diesem Bericht. Morgen möchte ich dann weiterfahren. Wie es aussieht geht es Richtung Popayan wieder ins Gebirge.